Das chinesische Social-Media-Unternehmen Bytedance hat einige der beliebtesten Apps der Welt entwickelt: Tiktok und in China Douyin und Toutiao. In den Vereinigten Staaten hat Tiktok 170 Millionen Nutzer – in Deutschland nach eigenen Angaben 24,2 Millionen. In China nutzen etwa 700 Millionen Menschen die inländische Version Douyin und 300 Millionen scrollen durch die Schlagzeilen auf Toutiao, einer Nachrichten-App.
Bytedance sammelt Nutzer:innendaten in rasantem Tempo und Umfang
Jedes Video, das die Nutzer einer der Apps von Bytedance ansehen oder posten, liefert dem Unternehmen mehr Daten darüber, wie Menschen das Internet nutzen. Seit Jahren nutzt Bytedance diesen Informationsschatz, um seine Apps attraktiver zu gestalten und die Fähigkeit zu verbessern, Inhalte zu empfehlen, um die Nutzer zu binden.
Das klingt zunächst nach einem – sagen wir – normalen und funktionierenden Geschäftsmodell. Allerdings nutzt Bytedance die Daten auch als Dreh- und Angelpunkt für ein wachsendes Geschäft im Bereich der künstlichen Intelligenz, wie die New York Times (NYT) berichtet.
Laut NYT hat das Unternehmen Milliarden von US-Dollar in eine Infrastruktur investiert, die für den Betrieb von KI-Systemen erforderlich ist. Es seien riesige Rechenzentren in China und Südostasien gebaut und fortschrittliche Halbleiter aufgekauft worden. Zudem stelle Bytedance massiv Personal für den Bereich KI ein.
Massive Datenschutzbedenken gegen Tiktok in vielen Ländern der Welt
Außerhalb Chinas ist ByteDance vorwiegend für Tiktok bekannt. Obwohl die App bei den Nutzer:innen beliebt ist, ist sie durch mindestens 20 Regierungen teilweise verboten worden, weil sie Bedenken hinsichtlich ihres Einflusses auf die nationale Sicherheit und die öffentliche Meinung haben.
Auch die US-Gesetzgeber:innen in Washington sind skeptisch, wie Bytedance Daten verwendet. Deshalb versuchen sie, einen Verkauf der US-amerikanischen Geschäftsbereiche von Tiktok zu erzwingen.
Das erweist sich als nicht einfach. Erst am vergangenen Freitag hatte US-Präsident Trump eine drohende Frist um 75 Tage bis Mitte Juni verlängert.
Abseits freiheitlich organisierter Staaten kann Bytedance leichter punkten. Vor allem in China haben all diese Daten Bytedance dabei geholfen, sein Geschäft weit über soziale Medien hinaus auszubauen und sich eine aussichtsreiche Position im globalen Wettlauf um die Entwicklung fortschrittlicher KI-Technologie zu verschaffen.
Bytedance wird immer wichtiger für die chinesische Regierung
Das weckt Begehrlichkeiten bei der chinesischen Regierung. Peking drängt Chinas Technologieunternehmen dazu, sich von Unterhaltungs-Apps auf das zu konzentrieren, was die Regierung als existenzielles Ziel ansieht: Eigenständigkeit bei Spitzentechnologien, die auch militärische Anwendungen haben, wie Halbleiter, Supercomputer und künstliche Intelligenz.
Bytedance hat sich laut NYT dieser Mission verschrieben. So gab das Unternehmen schon im vergangenen Jahr laut einem Bericht von Zheshang Securities, einem chinesischen Finanzunternehmen, rund 11 Milliarden US-Dollar für Infrastruktur wie Rechenzentren, Netzwerkausrüstung und Computerchips aus.
Obwohl die US-Regierung bereits unter Ex-Präsident Joe Biden Regeln aufgestellt hatte, die verhindern sollten, dass chinesische Unternehmen Zugang zu fortschrittlichen Chips etwa des Marktführers Nvidia erhalten, hat Bytedance Wege gefunden, diese Beschränkungen zumindest teilweise zu umgehen. Das sei teilweise durch die Nutzung von Rechenzentren außerhalb Chinas erfolgt, und höchstwahrscheinlich, so Analyst:innen, durch den Kauf von Chips chinesischer Chiphersteller wie Huawei und Cambricon.
Die in China hergestellten Chips könnten zwar nicht alles, was die Nvidia-Chips können, aber sie funktionierten gut genug, um Unternehmen wie Bytedance dabei zu helfen, KI-Dienste für Menschen und Unternehmen in China bereitzustellen, schreibt die NYT.
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Bytedance verbindet alle Apps konsequent mit seiner KI
So hat Bytedance mit dem Chatbot Doubao eine der beliebtesten Apps für künstliche Intelligenz in China entwickelt. Doubao konnte innerhalb seiner ersten drei Monate auf dem Markt im vergangenen Jahr 60 Millionen Nutzer:innen gewinnen und avancierte damit direkt zu Chinas beliebtestem Chatbot.
Wie eng Bytedance sein App-Ökosystem mit seinen KI-Bemühungen verbindet, wurde deutlich, als es kürzlich damit begann, einigen Nutzer:innen zu erlauben, mit Doubao innerhalb der Douyin-App zu chatten.
Schon im Jahr 2021 hatte Bytedance Volcano Engine gestartet. Das ist ein Unternehmen, das es anderen Firmen ermöglicht, für die Nutzung der Technologien zu bezahlen, die Tiktok, Douyin und Toutiao so süchtig machend gemacht haben. Volcano Engine liefert z. B. Tools zur Analyse von Informationen und Informationen zu den Algorithmen, die die viralen Tiktok-Videos empfehlen.
So hatte etwa der deutsche Autobauer Mercedes-Benz im vergangenen Jahr angekündigt, Volcano Engine in seinem Sprachassistenten und Navigationssystem in China einzusetzen.
Bytedance arbeitet an AGI – im Auftrag des Staates?
Wer die Stellenausschreibungen des Unternehmens verfolgt, stellt fest, dass Bytedance Hunderte Stellen im KI-Bereich zu besetzen hat. Laut NYT arbeitet die Tiktok-Mutter ebenso wie OpenAI, Google und Deepseek an der Entwicklung einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI). Expert:innen trauen Bytedance aufgrund seiner massiven Ressourcen an Geld, Personal, Hardware und Nutzer:innendaten zu, zu jenen zu gehören, die realistische Erfolge auf diesem Sektor erzielen könnten.
So könnten die KI-Bemühungen von Bytedance nicht nur den Tech-Markt, sondern auch geopolitische Machtverhältnisse verschieben. Besonders im Kontext der Spannungen zwischen China und dem Westen stellt sich die Frage, an welchem Punkt der staatlichen chinesischen Technologieagenda Bytedance eine Rolle im geopolitischen Wettbewerb spielen wird.