Mozilla, das Open-Source-Unternehmen aus San Francisco im US-Bundesstaat Kalifornien, steckt mitten in einem ehrgeizigen Umbauprojekt: Der Mail-Client Thunderbird soll zur vollwertigen Kommunikationsplattform ausgebaut werden – mit neuen Webdiensten unter dem Label Thunderbird Pro und einem eigenen Hostingangebot namens Thundermail.
Im Zentrum steht die Idee, ein alternatives Cloud-Ökosystem zu schaffen, das Nutzer:innen nicht durch Bequemlichkeit oder Inkompatibilität in proprietären Plattformen hält – sondern durch Überzeugung, Transparenz und der Kontrolle über die eigenen Daten.
Das ist Thunderbird Pro
Thunderbird Pro ist eine Erweiterung zum bestehenden E-Mail-Client, die gleich mehrere neue Dienste mitbringen wird, wie Thunderbird-Chef Ryan Sipes erläutert.
Mit Appointment können Nutzer:innen Kalenderlinks verschicken und so zeitsparend Termine koordinieren – ähnlich wie Calendly, aber quelloffen und ohne Tracking. Das Repository auf Github ist bereits verfügbar.
Send ist eine Neuinterpretation des inzwischen eingestellten Firefox Send: ein datenschutzfreundlicher Filetransfer, von Grund auf neu entwickelt und bereits heute öffentlich als Repository einsehbar.
Mit Assist kommt erstmals KI ins Thunderbird-Universum. In Zusammenarbeit mit Flower AI aus dem kanadischen Toronto will Mozilla eine Textverarbeitung anbieten, die lokal auf dem Gerät läuft. Für leistungsschwächere Geräte setzt man auf vertrauliche Remote-Verarbeitung über Nvidia Confidential Computing – vergleichbar mit Apples Private Cloud Compute. Die KI-Funktion bleibt – anders als etwa bei Google – vollständig optional.
Die bedeutendste Erweiterung dürfte indes das geplante Thundermail sein.
Das ist Thundermail
Mit Thundermail wagt Mozilla einen Schritt, den viele Open-Source-Projekte eher scheuen. Thundermail wird ein eigener E-Mail-Hostingdienst in der Cloud sein, der nahtlos in das neue Thunderbird-Ökosystem integriert wird. Technisch basiert Thundermail auf dem Open-Source-Stack Stalwart, der gemeinsam mit dessen Maintainer unter anderem gezielt um Kalender- und Kontaktfunktionen als Kernbestandteile erweitert wird.
Nutzer:innen sollen sich künftig zwischen zwei Mozilla-eigenen Domains entscheiden können: thundermail.com und tb.pro. Eine Anmeldung zur geschlossenen Beta ist bereits möglich – über eine Warteliste auf thundermail.com.
Das ist die Zielgruppe
Mozillas neues Angebot richtet sich an alle, die E-Mails, Termine, Dateien und KI-Textfunktionen bislang über verschiedene Dienste nutzen – und dabei ein ungutes Gefühl hinsichtlich der Datenweitergabe haben. Und an jene, die bereits integrierte Dienste von Google oder Microsoft nutzen – und dabei ein ungutes Gefühl hinsichtlich der Datenweitergabe haben.
Thunderbird Pro verspricht nicht weniger als die Wiedererlangung digitaler Selbstbestimmung, ohne dabei auf Komfort verzichten zu müssen. Besonders für technikaffine Nutzer:innen, kleine Teams oder NGOs mit Datenschutzanspruch dürfte das neue Thunderbird-Ökosystem spannend werden.
Thunderbird Pro: Kosten sind zu erwarten
Kostenlos bleibt nicht alles, Mozilla verspricht aber faire Preise. Vor allem Dienste wie Send, die Speicherkapazitäten benötigen, sollen mittelfristig kostenpflichtig werden. In der Anfangsphase erhalten jedoch aktive Mitwirkende aus der Community freien Zugang.
Langfristig plant Mozilla zudem kostenlose Basistarife mit Funktionsbegrenzungen – ähnlich wie bei anderen Plattformen, aber konsequent Open Source. Das erklärte Ziel ist es, ein nachhaltiges Modell zu etablieren, ohne auf nutzer:innenfeindliche Praktiken zurückzugreifen.
Thunderbird Pro und Thundermail: Das ist der Zeitplan
Appointment und Send sind bereits für den Betrieb auf eigenen Servern verfügbar. Assist und Thundermail folgen in Kürze. Alle Produkte sind vollständig quelloffen und somit offen für Beiträge aus der Community.
Mozilla will mit Thunderbird zwar ein Zeichen gegen Datenmonopole setzen, doch es geht nicht nur um Haltung. Wie Ryan Sipes offen einräumt, verliert das Projekt Tag für Tag Nutzer:innen an die Plattformen von Google und Microsoft. Und zwar messbar: Nach interner Zählung ist die Zahl der monatlich aktiven Thunderbird-Installationen von 17,7 Millionen Ende 2020 auf nur noch 16,2 Millionen im März 2025 gesunken.
Sipes nennt das Problem beim Namen: Konkurrenzprodukte bieten nicht nur Clients, sondern gleich ganze Ökosysteme – mit tief integrierten Kalendern, Dateidiensten und Cloud-Speicher. Genau dort will Thunderbird jetzt aufholen – mit offenen Alternativen, die sich nicht dem Wachstumsdruck eines börsennotierten Konzerns unterwerfen müssen.
Dabei ist der Thunderbird-Chef durchaus Realist, wenn er zugibt, dass die Cloud-Plattform rund um Thunderbird eigentlich schon vor einem Jahrzehnt hätte starten müssen. Ob Mozilla mit diesem Schritt jetzt zu spät kommt, wird der Markt entscheiden.