Eigentlich hatte ich mit Duolingo abgeschlossen. Zwei Jahre lang habe ich mit dem Tool Türkisch gelernt – oder besser gesagt: auswendig gelernt, denn das Übersetzen der immer gleichen, teils sinnlosen Sätze hat mich in der Kommunikation mit der türkischen Seite meiner Familie nicht wirklich weitergebracht. Der Türkischkurs war zuletzt nicht mehr als ein gamifizierter Vokabeltrainer, dem im Vergleich zu anderen Duolingo-Kursen Features wie Grammatikerklärungen, Rollenspiele und Geschichten fehlten.
Duolingo mit KI: Trotzdem zweimal „Seufz“
Für zahlende Kundschaft hat Duolingo jetzt die neue Abo-Stufe „Max“ mit einem neuen Feature eingeführt: KI-gestützte Videotelefonate mit Lily, einer Figur im Duolingo-Universum. Klingt spannend, dachte ich, und lud mir die App wieder aufs Handy. Blöd nur, dass es das Feature nicht für Türkisch gibt. Seufz. Aber Japanisch soll ich mit Lily sprechen können. Allerdings steht das Feature für Japanisch nur auf iOS zur Verfügung. Seufz, die Zweite. Also Duolingo auf meinem Arbeits-iPhone installiert, eingeloggt, Japanisch ausgewählt und das Probeabo gestartet. Auf meinem Android-Handy erschien das Feature dann doch noch, aber erst, als mein Test fertig war.

Lilys grimmiger Gesichtsausdruck macht nicht gerade Lust auf einen Anruf – sie ist dann aber doch ganz nett.
(Screenshot von Duolingo: MIT Technology Review)
Durch den Einstufungstest lande ich mitten im Lernpfad, wo sich auch das Videocall-Feature findet. Ich bin ein wenig nervös, als ich auf den Anrufen-Button drücke. Warum ausgerechnet Lily die Gesprächspartnerin ist, wundert mich, denn ihr digitaler Charakter ist für seine „Mir ist alles egal“-Attitüde bekannt. Aber vielleicht ist genau das der Grund.
Im Dialog mit dem KI-Avatar
Es klingelt kurz, dann geht Lily ran und ihr Cartoon-Avatar erscheint auf meinem Bildschirm. Nach der Begrüßung stellt sie mir eine Frage, die ich nicht verstehe. Ich frage nach der Bedeutung eines Wortes, das sie mir daraufhin erklärt. Etwas verlegen stottere ich, dass ich es immer noch nicht verstanden habe, und frage nach einer weiteren Erklärung. Kein Problem, sagt sie, und legt noch etwas einfacher nach. Endlich kann ich ihre Frage beantworten, aber scheinbar ist unsere Zeit schon vorbei. Sie schaut auf ihre Cartoon-Armbanduhr und verabschiedet sich.
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Nach dem Anruf erhalte ich eine Übersicht unseres Gesprächs in einer Art Chatverlauf. Lilys Fragen und Antworten kann ich mir durch Antippen noch einmal übersetzen lassen. Leider werden mir meine Fehler weder angezeigt noch erklärt. Es gibt auch keine Möglichkeit, zu sehen, wie die einzelnen japanischen Schriftzeichen gelesen werden oder was sie bedeuten.
Über den Übungsbereich rufe ich Lily erneut an, dieses Mal fragt sie nach meiner Lieblingsmusik. Auf meine Antwort „Heavy Metal“ reagiert sie sichtlich erfreut – ob sie bei anderen Genres wohl genauso reagiert hätte? Sie fragt nach meiner Lieblingsband und wiederholt sogar den Namen richtig. Wir unterhalten uns kurz über Konzerte – und nach etwa zwei Minuten ist das Gespräch auch schon wieder vorbei.
Hilfreiches neues Duolingo-Feature, dennoch fehlt etwas
Ich finde Lily als Gesprächspartnerin sehr angenehm. Sie spricht langsam und deutlich und ihre Mimik hilft, das Gesagte zu verstehen. Im Kontext von Duolingo fühlt es sich genau richtig an, in kurzen Häppchen eine halbwegs sinnvolle Konversation über das Thema der Lektion zu führen. Ohne dieses neue Feature fehlte mir bislang die Möglichkeit, Gelerntes flexibel anzuwenden, anstatt nur sich wiederholende Sätze hin und her zu übersetzen.
So richtig überzeugt bin ich von den Telefonaten allerdings nicht – dafür fehlt mir eine Korrektur meiner Fehler am Ende der Konversation. So bleibt es für mich ein nettes Gimmick, das für zahlende Kundschaft sicherlich hilfreich ist – sofern es für die Wunschsprache und auf dem eigenen Gerät auch verfügbar ist. So wird mein Probeabo auch wohl nur ein Probeabo bleiben.