Die Bundeswehr schafft erstmals in ihrer Geschichte Loitering Munition an. Diese einschneidende Entscheidung teilte das Bundesverteidigungsministerium gestern mit. Die Bundeswehr verrät aber nicht die konkreten Modelle. Das Fachportal Hartpunkt will aber aus gut informierten Kreisen erfahren haben, um welche Killerdrohnen es sich handeln soll.
Zunächst zum politischen Hintergrund
Die Bundeswehr besitzt bis dato keine Waffensysteme, die mit einer Sprengladung versehen über längere Zeit am Himmel herumfliegen – und somit “lauern” beziehungsweise “herumlungern” (englisch: loitering) – können, nach Zielen suchen und diese nach Entdeckung angreifen und zerstören. Dabei kann die Drohne verloren gehen, je nachdem, wie sie konzipiert ist: Schießt/wirft sie ihre Sprengladung ab und kehrt dann zum Bediener/Operator zurück oder stürzt sie sich zusammen mit ihrer Sprengladung auf ihr Ziel. In letzterem Fall handelt es sich um eine Art Kamikaze-Angriff. Derartige Kamikaze-Drohnen oder Einweg-Kampfdrohnen setzen sowohl die Ukraine als auch Russland in großen Stückzahlen ein.
Wenn in Zusammenhang mit der Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr in der Vergangenheit die Rede war, dann waren damit große und hochpreisige Fluggeräte gemeint, die bei einem Angriff nicht verloren gehen, sondern nach Abschuss ihrer Wirkmittel zum Operator zurückkehren. Konkret ging es dabei um die israelische Heron TP, um deren Anschaffung es hitzige Diskussionen gab. Von kleinen und günstigen Kamikaze-Drohnen war in diesen zurückliegenden Diskussionen dagegen noch nicht die Rede.
Ukraine-Krieg zwingt Bundeswehr zum Umdenken
Das änderte aber der russische Überfall auf die Ukraine. Dort schwirren die kleinen, oft sogar von den Soldaten selbst zusammengebauten Drohnen ständig über die Schlachtfelder und töten und verletzen fortlaufend Menschen und zerstören mitunter sogar Kampfpanzer. Derartige Kamikaze-Drohnen, die äußert günstig in der Beschaffung sind, haben die moderne Kriegsführung grundlegend verändert und übernehmen längst über weite Strecken die Aufgaben von Artillerie und Mörsern.
Nun will also auch die Bundeswehr – die bisher in Sachen Kleindrohen sehr langsam und bürokratisch auftrat – solche Loitering Munition anschaffen. In den nächsten Tagen will das Bundesverteidigungsministerium mit zwei deutschen Herstellern über die Lieferung verhandeln und entsprechende Verträge abschließen, wie unter anderem der Wehrblog Augengeradeaus berichtet. Die Soldaten sollen im Umgang mit solchen Drohnen geschult werden, entsprechende Tests sollen noch 2025 beginnen. Ende 2025 sollen dann Nachbestellungen erfolgen.
Aufgrund der steten technischen Weiterentwicklung dieser Drohnen will die Bundeswehr richtigerweise aber keine zu großen Mengen auf Halde anschaffen. Denn diese wären nach kurzer Zeit schon wieder veraltet. Stattdessen müssten die Hersteller der Drohnen die gewünschten Stückzahlen dann bei Bedarf schnell liefern können. Und die Soldaten müssten für diesen Fall eben vorbereitet und geschult sein. Die Bundeswehr will für diesen Zweck immer wieder neue, modernere Drohnen kaufen, sodass die Soldaten immer auf dem neuesten Stand bleiben.
Die neuen Kampfdrohnen werden sicher mit KI arbeiten. Inwieweit sie autonom fliegen und eventuell sogar angreifen, bleibt abzuwarten. Der Operator soll aber immer die letzte Entscheidung haben. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass die Kommunikation zwischen Drohne und Operator durch den Feind gestört werden kann (bei Funkdrohnen beispielsweise durch Jammer; Drohnen, die per Glasfaserkabel mit dem Operator verbunden sind, können ebenfalls die Verbindung verlieren, zudem sind diese kabelbasierten Drohnen nicht so flexibel). Für diesen Fall wird die Drohne vermutlich KI-basierte Entscheidungen treffen müssen.
Perspektivisch ist in diesem Zusammenhang übrigens nicht nur an Flugdrohnen zu denken, sondern auch an Drohnen für den Bodeneinsatz und auf dem Meer beziehungsweise unter Wasser.
Um diese Drohnen soll es gehen
Die Namen der ins Auge gefassten Hersteller nennt das Verteidigungsministerium nicht. Doch Hartpunkt will dank “unterschiedlicher gut informierter Kreise” die Namen kennen: Helsing und Stark. Dabei handelt es sich um deutsche Start-ups.
HX-2 von Helsing
Helsing könnte die 12 Kilogramm schwere X-Wing-KI-Drohne HX-2 liefern. Sie hat vier Propeller und eine Reichweite von bis zu 100 Kilometer und fliegt im Zielanflug bis zu 220 km/h schnell. Diese Drohne kehrt nicht zum Operator zurück, sondern stürzt sich mitsamt ihrer Sprengladung auf das Ziel. Die Drohne soll sich zudem in Schwärmen einsetzen lassen und dank KI sicher vor Störsendern sein.
Mehr zu Helsing lesen Sie in Deutsche Firma startet Killerdrohne mit KI-Support: 1.000 Kamikaze-Drohnen pro Monat.
OWE-V von Stark
Die zweite von der Bundeswehr wohl angeschaffte Kamikaze-Drohne soll die 30 Kilogramm schwere “One Way Effector – Vertical” (OWE-V) von Stark sein. Sie ist größer als die HX-2 und kann auch senkrecht starten und landen. Die zwei Meter hohe OWE-V benötigt keine Startvorrichtung. An ihren Flügelspitzen befinden sich die Propeller. Die Reichweite soll bis zu 100 Kilometer betragen und sie soll 120 Kilometer pro Stunde schnell fliegen können sowie im Zielanflug auf bis zu 250 km/h beschleunigen. Auch bei der OWE-V soll KI für die Sicherung vor Störeffekten sorgen.
Der in Deutschland geborene US-Milliardär Peter Thiel soll einer der Hauptfinanziers bei Stark sein, wie das Manager Magazin berichtet. Thiel sieht sich als Libertärer und wird politisch rechts verortet. Er steht Donald Trump nahe.