Im Normalfall haben viele Programmierer:innen Jahre damit zugebracht, ihre Skills zu perfektionieren. Mittlerweile hat sich das aber geändert. Dank KI-Tools wie ChatGPT, Claude und Gemini können auch alle, die keine Coding-Skills besitzen, plötzlich komplette Programme erstellen – oder besser gesagt, erstellen lassen.
Für diese Art des Codings hat sich ein Begriff etabliert: Vibe-Coding. Was genau dahintersteckt und welche Risiken der leichte Weg des Programmierens mit sich bringt, haben wir euch zusammengefasst. Über das Inhaltsverzeichnis gelangt ihr dabei schnell zu den Themenkomplexen, die euch besonders interessieren.
Was ist Vibe-Coding überhaupt?
Vibe-Coding bedeutet, sich beim Programmieren rein auf die KI zu verlassen. Statt echte Code-Zeilen in einen Editor zu tippen, weisen die Programmierer:innen lediglich die KI mit normalen Texteingaben an. Das Vibe-Coding kann dabei vor allem unerfahrenen Programmierer:innen helfen, ihre Vision mit wenig Aufwand umzusetzen. Schließlich übernimmt die KI den Großteil der Aufgaben und Nutzer:innen müssen nur beschreiben, was sie realisieren wollen.
Aber selbst für erfahrene Coder:innen kann die KI-Unterstützung eine Erleichterung sein. Etwa dann, wenn sie lediglich kleine Änderungen an ihren schon bestehenden Code-Zeilen vornehmen wollen. Die Anpassungen würden sie von ihrem eigentlichen Ziel ablenken und Zeit fressen. Künstliche Intelligenz kann die Zusatzaufgaben übernehmen, während die Programmierer:innen schon gedanklich das nächste Problem angehen.
Der Ursprung des Begriffs
Der Begriff des Vibe-Codings ist relativ neu. Er stammt von Andrej Karpathy, seines Zeichens Mitgründer von OpenAI und langjähriger Senior Director bei Tesla, wo er die Leitung des Tesla-Autopilot-Teams innehatte. In einem Post auf X schrieb er Anfang Februar 2025: „Es gibt eine neue Art des Codings, die ich Vibe-Coding nenne. Man lässt sich einfach auf die Schwingungen ein […] und vergisst, dass Code überhaupt existiert.“
Obwohl Karpathy ein fähiger Entwickler ist, nutzt er ebenfalls KI, um sich unterstützen zu lassen. Er schreibt: „Ich frage nach den dümmsten Sachen. Etwa, den Abstand bei der Sidebar um die Hälfte zu reduzieren, weil ich zu faul bin, es zu finden. […] Wenn ich eine Fehlermeldung bekomme, kopiere ich sie einfach ohne Kommentar in die KI und damit ist das Problem meistens gelöst.“
Empfehlungen der Redaktion
Obwohl der Begriff für das Coding ohne die nötigen Fertigkeiten recht neu ist, dürfte Vibe-Coding schon länger von einigen Menschen praktiziert werden. Es gibt mehrere Posts auf Social-Media-Kanälen oder auf Webseiten wie Dev, in denen User:innen davon berichten, schon seit mehreren Jahren Programme mit minimalen Code-Eingaben und dafür mit KI-Unterstützung zu erstellen.
Vibe-Coding kann schon jetzt viele Aufgaben abnehmen. In Zukunft wahrscheinlich sogar noch mehr. In einem weiterführenden Post schreibt Karpathy, dass Vibe-Coding noch nicht dort angekommen ist, wo er es gerne hätte. Er müsse immer noch zu viele Dinge selbst erledigen – etwa wenn der Code zu komplex wird und er Bugs beheben muss, die die KI nicht beseitigen kann.
Wie einfach ist es, selbst mit KI zu coden?

Von einer einfachen To-do-Liste bis zu einer ansehnlichen App: Mit Vibe-Coding in der Theorie kein Problem. (Screenshot: t3n)
Die Einstiegshürde beim Vibe-Coding ist sehr niedrig. Im Grunde müsst ihr euch nur ein Programm herunterladen, es installieren und euch einen Account bei dem jeweiligen Anbieter der Software erstellen. In unserem kleinen Test haben wir Cursor als Tool gewählt. Die Software bietet eine kostenlose Testversion, in der zwei Wochen lang alle Pro-Funktionen inkludiert sind. Danach kostet Cursor 20 US-Dollar im Monat, um alle Features vollumfänglich nutzen zu können.
Sobald ein Ordner für das Projekt angelegt wurde, können wir der KI schildern, was wir überhaupt programmieren möchten. Für unsere Test-Session im Vibe-Coding wollten wir eine To-do-Liste in HTML erstellen, die auf mehreren Geräten genutzt werden kann. Also haben wir die KI mit grundsätzlichen Ideen wie einer Eingabeleiste, einem Symbol für das Speichern der Einträge und einer Überschrift versorgt.
Empfehlungen der Redaktion
Die KI erstellt dabei zunächst alle nötigen Dateitypen, um die To-do-Liste zu erschaffen. Nach wenigen Sekunden sind die Grundlagen fertig und lassen sich über ein Python-Skript im Browser lokal ausprobieren. Anschließend können wir der KI weitere Anweisungen geben, um unsere Idee voranzutreiben. Die Anpassungen reichen von kleineren Änderungen am Design bis zu vollkommen neuen Elementen wie einem Kalender, der die Anzahl der fälligen Aufgaben pro Tag zeigt.
Zudem fügen wir eine Spalte mit schon erledigten Aufgaben hinzu, die über eine sich farblich verändernde Statusleiste dazu motiviert, möglichst alle To-dos zu erfüllen. Später ergänzen wir sogar ein Einstellungsmenü, um verschiedene Kategorien für Aufgaben zu schaffen, Farbanpassungen vorzunehmen und Daten zu importieren oder zu exportieren. Dass das Menü dabei als Pop-up über der Liste angezeigt wird, programmiert die KI sogar von ganz allein – ohne unsere explizite Anweisung.
Am Ende hat die Vibe-Coding-Session für eine nutzbaren To-do-Liste mit Dark Mode, Kalender und Export-Funktion nur etwas mehr als eine Stunde in Anspruch genommen. Die Anwendung auf normalen Wegen zu programmieren, hätte Neulinge sicherlich deutlich länger beschäftigt. Zumal das erforderliche Wissen dafür überhaupt erst einmal erlernt werden muss.
Wenn die KI an ihre Grenzen kommt

Fehlende Einträge, falsche Daten und ein kaputter Kalender. Wenn die KI diese Probleme nicht beheben konnte, fehlte uns das Wissen, es selbst zu tun. (Screenshot: t3n)
Die KI ist aber keinesfalls frei von Fehlern. Bei unserem Versuch gab es mehrere Probleme mit dem Kalender. Nachdem die einzelnen Tage klickbar gemacht wurden, tauchten die Abkürzungen für den Wochentag doppelt in der Übersicht auf. Beim Versuch, diesen Fehler zu beheben, entfernte die KI die Rasteransicht des Kalenders und machte daraus eine lange Liste. Die Aufforderung, das zu beheben, führte dazu, dass die Tage zwar wieder im Raster landeten – aber einige Tage abgeschnitten wurden.
Was sich im Zweifel noch mit viel Geduld per KI regeln lässt, ging bei einem anderen Problem nicht mehr. Denn in einer Situation hat die KI nämlich nicht verstanden, was wir von ihr wollten. Wir wollten lediglich den Zähler für die Anzahl der Aufgaben an einem Tag farblich im Kalender hinterlegen. Das Datum sollte gefettet, aber nicht farblich hinterlegt werden. Statt die Aufgabe zu erfüllen, wurde das gesamte Kästchen mitsamt Datum und Anzahl farblich von der KI markiert.
Auch nach mehrmaligen Anweisungen wusste die KI nicht, was sie ändern sollte, änderte nur Details bei der Formatierung und fügte sogar neue Bugs ein. Hier müsste definitiv händisch im Code nachgebessert werden. Wer das nötige Wissen dafür nicht besitzt, ist aufgeschmissen. Das ist besonders heikel, wenn es sich um ein ernstes Projekt handelt und nicht nur aus Spaß mit Vibe-Coding experimentiert wird.
Welche Risiken entstehen beim Vibe-Coding?
Das zeigt unter anderem ein Fall, von dem Dev Class zuerst berichtet hat. Ein Vibe-Coder, der auf X als „Leo“ unterwegs ist, postete im März 2025 stolz: „Meine Software-as-a-Service wurde komplett mit Cursor gebaut, es gibt keinen handgeschriebenen Code. KI ist nicht mehr nur ein Assistent, sie ist ein Erbauer. Ihr könnt euch jetzt darüber beschweren oder anfangen, damit zu bauen. Und ja, die Leute bezahlen für meine Software“.
Wenige Tage später berichtete er auf X, dass seine Software seit dem Post von unzähligen Cyberangriffen heimgesucht wurde. Er schreibt: „Es passieren komplett zufällige Dinge, die Anzahl der API-Schlüssel ist ausgereizt und Leute umgehen das Abonnement“. Im Anschluss betonte er erneut, dass er keine Ahnung hätte, warum die Probleme auftreten und er deshalb länger benötigen würde, um sie zu beheben. Zudem gab er bekannt, nicht mehr über den Stand seiner Arbeit auf X zu berichten.
Gelernte Programmierer:innen hätten diese Lücken im System womöglich schon vorab erkannt oder die Fehler der KI schnell beheben können. Am Ende hilft KI beim Coding also denjenigen am meisten, die schon genau wissen, was sie machen. Google-Entwickler Addy Osmani fasste das in einem seiner Blog-Posts als „Wissensparadoxon“ zusammen: „Die Realität ist, dass eine KI im Grunde wie ein sehr fleißiger Junior-Entwickler in deinem Team ist. Sie kann schnell Code schreiben, benötigt aber dauerhaft Aufsicht und Korrekturen. Je mehr ihr selbst wisst, desto besser könnt ihr sie anweisen“.