Was Seismolog:innen zunächst als „USO“ – unbekanntes seismisches Objekt – vermerkten, entpuppte sich als Folge eines Dominoeffekts durch den Klimawandel: In einem abgelegenen Fjord im Osten Grönlands war ein Gletscher so stark abgeschmolzen, dass er die über ihm liegende Bergspitze nicht mehr stützen konnte. Der Einsturz des rund 1,2 Kilometer hohen Gipfels in den Dickson-Fjord schleuderte Wasser bis zu 200 Meter in die Höhe und löste einen Megatsunami aus. Dessen erste Welle war laut Modellrechnungen rund 110 Meter hoch.
In der Enge des Fjords entstand daraus eine sogenannte Seiche, eine stehende Welle, die tagelang hin- und herschwappte. Dabei entstand ein seismisches Signal mit nur einer einzigen Frequenz, das über das Gestein der Erdkruste die ganze Welt umrundete.
Der Begriff „Donk“ für dieses Phänomen stammt übrigens vom Wissenschaftsteam des Magazins Popular Science aus der US-Metropole New York, das die Geschichte in der jüngsten Folge seines Podcasts „The Weirdest Thing I Learned This Week“ aufgriff.
Donk: ein globales Echo des Klimawandels
Der Auslöser des Donk war ein vom Klimawandel geschwächter Gletscher, der das Gewicht des darüberliegenden Bergs nicht mehr halten konnte. Das am Fuß des Bergs gelegene Eisfeld hatte sich durch die Klimaerwärmung so stark zurückgezogen, dass die instabile Felswand darüber kollabierte.
Die Wassermassen im Fjord wurden durch das schmale, verwinkelte Tal eingeschlossen – Energie konnte kaum entweichen. Wie eine Computersimulation zeigte, bewegte sich die Welle exakt alle 90 Sekunden vor und zurück – im Takt der global aufgezeichneten seismischen Vibrationen.
Die Vibration war so gleichförmig und lang anhaltend, dass sie sich deutlich von herkömmlichen Erdbeben unterschied. Statt der üblichen Vielzahl an Frequenzen gab es nur eine – ein monotones Brummen, das von Seismografen weltweit registriert wurde.
Rätsel um das Donk erst mit globaler Teamarbeit lösbar
Erst ein internationales Team von 68 Forscher:innen aus 15 Ländern konnte das Rätsel lösen. Sie kombinierten Messdaten von Seismometern und Infraschallsensoren mit Satellitenbildern, Modellrechnungen und Aufnahmen des dänischen Militärs, das kurz nach dem Erdrutsch den Fjord befuhr.
Dr. Kristian Svennevig vom Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS) aus Kopenhagen erklärte: „Als wir begannen, hatte niemand eine Ahnung, was dieses Signal verursacht hatte. Dass es vom Klimawandel ausgelöst wurde, macht es umso bemerkenswerter.“
Auch Dr. Stephen Hicks vom University College London (UCL) im Vereinigten Königreich war Teil des Teams: „Noch nie zuvor wurde eine stehende Welle als seismisches Signal aufgezeichnet, das sich um die ganze Welt bewegt und über Tage anhält.“
Einsamkeit der Region rettet Leben
Glück im Unglück: Die Region ist extrem abgelegen, es gab keine Todesopfer. Doch die Auswirkungen waren dennoch enorm. Sogar 70 Kilometer entfernt zerstörten vier Meter hohe Tsunamiwellen eine Forschungsstation auf der Insel Ella Ø und historische Stätten am Fjord.
Erhebliches Glück hatten auch die Passagiere des Kreuzfahrtschiffs, dass sich an diesem Tag eben nicht auf der nahegelegenen Route befunden hat. Das hätte eine Katastrophe bedeuten können. Das Forschungsteam hatte ermittelt, dass rund 25 Millionen Kubikmeter Fels und Eis in den Fjord stürzten, was reichen würde, um 10.000 olympische Schwimmbecken zu füllen.
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Die Welt wird instabil: Forschende empfehlen bessere Frühwarnsysteme
Mit der sich beschleunigenden Klimaerwärmung dürften solche Ereignisse häufiger auftreten. Die von dem internationalen Team im Magazin Science veröffentlichte Studie betont, wie wichtig es in der Zukunft sein wird, auch als stabil geltende Regionen zu überwachen und Frühwarnsysteme zu entwickeln.
Thomas Forbriger vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sagt: „Ohne die weltweiten Netzwerke hochempfindlicher Seismografen hätten wir dieses Ereignis nie entdeckt. Sie sind unser einziges Fenster zu solch einzigartigen Signalen.“
Vielleicht war es genau dieses gleichmäßige Donk, das dem globalen Zittern erstmals eine eindeutige Frequenz verliehen hat – als Echo eines Klimawandels, der längst mehr lostritt als nur Gletscher.